Auch bei mir hängt plötzlich so eine Ampel. Dass das Unterbewusstsein perfekt funktioniert, und man fast automatisch Anregungen aus dem Netz in sein Leben integriert, ist definitiv nicht von der Hand zu weisen. (Denk nur an meine Zara Overnees bei Instagram.)  Alle wollen jetzt eine Makrameedeko haben – reiner Zufall? Jahrelang galten die Eulen oder Wandbehänge, die in Makrameetechnik gefertigt werden, als Staubfänger und vorsintflutlich, als etwas, das nur Tante Grete hat. Nun sind die Eulen und andere Sachen aus Garn wieder in, und zwar extrem! Wie konnte das nur geschehen?

Im Grunde gibt es ja keine hässlichen oder schönen Dinge, nur solche, für die sich das Herz erwärmen kann bzw. bei denen es kalt bleibt. Von daher ist es natürlich fast schon beliebig, welche Erscheinungen plötzlich top sind. Nun sind es eben die Blumenampeln aus Garn und die Tierchen und Pläsierchen aus diesem Material, die die Räume weltweit schmücken. Dagegen ist grundsätzlich auch nichts einzuwenden, aber wie konnte es dazu kommen, dass von Padua bis Prag, von New York bis Neukölln diese Gebilde plötzlich hängen?

Es ist doch nur ein Video!

Youtuber und andere Menschen, die sich großer Beliebtheit als Entertainer erfreuen, scheinen die Rolle der Magazine in weiten Teilen übernommen zu haben. Wenn heute eine Erscheinung sich rasant als “in” erweist, steckt fast immer ein sympathischer, meist junger Mensch dahinter, der mit Strahlen etwas in die Kamera hält und es zum “Must have” deklariert. Ob das nun ein Lippenstift in Gelb ist, ein Badeöl mit veganem Touch oder ein Gürtel aus Makramee: Die Menschen, die so etwas präsentieren, sind unsere neuen Trendsetter, und wir wollen alles genau wie sie haben.

Und wenn ich so etwas nicht gucke?

Nun gibt es ja auch die Verweigerer aus Prinzip, die sich von Youtube etc. fern halten und “ihr Ding” machen. Darauf sind sie auch mächtig stolz, aber auch sie haben in der Regel Freunde. Und an dieser Stelle kommt der so genannte Schneeball Effekt ins Spiel. Sagen wir einmal, Du bist solch ein Verweigerer, aber Du hast einen großen – echten – Freundeskreis. Du besuchst also Lisa, und sie hat in ihrer schicken Küche eine Makramee Ampel mit einer silbernen Obstschale darin – aus Makramee. Du denkst Dir noch nichts Böses, bewunderst die Ampel gebührend. In der folgenden Woche ist Deine gute alte Freundin Esther dran. Du betriest deren Reich und denkst “Oh, wie hübsch, all die Pflänzchen, wie sie da hängen, fast schweben!” – in einer Makramee Ampel. Was ist passiert?

Die selektive Wahrnehmung nimmt ihren Lauf

Du gehst also in beiden Fällen relativ (ja, es gab auch leckeren Hugo!) animiert nach Hause und hast auch erfahren, dass Deine Freundinnen sich ein bisschen auf Instagram oder bei ihrer Lieblingsbloggerin in Sachen Makramee haben inspirieren lassen. Dagegen hast Du keine Einwände und beschließt sogar, solchen Dingen doch mal eine Chance zu geben. Zudem merkst Du, dass Du von einer Art Makramee Virus infiziert worden bist und rufst auf Google das Wort auf. Die Bilder zeigen es Dir – jeder, in jeder Stadt, will oder hat schon Makramee. Kein Weg führt dran vorbei. Willst Du da noch länger eine Verweigerin sein? Nein, denn ganz unbemerkt hast Du diese Gebilde mit ihrem Inhalt ins Herz geschlossen und siehst plötzlich nur noch Makramee.

Makramee Ampeln

Die Welt ist ein Dorf

Diese Geschichte lässt sich im Grunde auf fast jedes Phänomen übertragen. Ob es sich um Zara Stiefel handelt oder die Farbe Mauve, ob alle plötzlich ein bestimmtes Wort benutzen: Irgend wo hat das alles seinen Anfang genommen. Ein Video, ein Blog mit Tipps in punkto “Must haves”; schon wird eine Lawine los getreten. Und es ist fast egal, ob der Ursprung dieser Lawine sich an der Ostküste oder in Kreuzberg in einem Atelier befindet. Sie rollt und rollt. Man darf gespannt sein, was als nächstes (wieder) entdeckt wird!