Cepelinai? Ich schaue Michael fragend an, doch er weiß auch nicht was es ist und zuckt mit den Schultern. Unauffällig schiele ich auf die Teller der anderen Gäste. Egal was wir hier bestellen werden, es wird uns schon nicht umbringen. Mein Entschluss steht fest. Einmal Cepelinai bitte! Nein doch nicht. Wir bestellen um und entscheiden uns für einmal Alles. Lietuviškas rinkinys, eine Auswahl litauischer Nationalgerichte für 2 bis 3 Personen (wenn schon denn schon). Der Kellner nickt zufrieden.
Gabi´s Restaurant
Gemütlich sitzen wir hier, in Gabi`s Restaurant. Genauso hatte ich es mir vorgestellt, ein uriges Speiselokal mit landestypischer Küche. Fast wären wir der Einfachheit halber in einer hippen Pizzeria gelandet. Nur, weil wir davor parkten. Doch auf TripAdvisor und seine Bewertungen ist Verlass und deswegen sind wir nun hier. Mein Blick fällt auf ein kleines Metallschild an der Wand. Fotografieren verboten. Ein Jammer, denn die Einrichtung ist genial. Wir haben einen Tisch im hinteren Bereich, direkt neben dem prasselten Kamin und der Wand, die über und über mit alten, verschnörkelten Messingschlüssel behangen ist. Unser Tisch und die Stühle sind nicht weniger nostalgisch. Einige Gäste thronen sogar auf mittelalterlichen Stühlen.
Das Essen wird serviert. Aber natürlich. Diese großen Kartoffelklöße, die mit Hackfleisch und Quark befüllt sind, sehen aus wie kleine Zeppeline (Cepelinai) und sie schmecken wie… wie saarländische „Gefillde“ (Gefüllte). Welche Überraschung, ein Stück Heimat in der Ferne. Wobei Vilnius von Frankfurt-Hahn gar nicht so weit weg ist. Schon nach zweieinhalb Flugstunden ist man da. Plus eine Stunde Zeitverschiebung. Bei einem Kurztrip, vor allem in den Wintermonaten, sollte man daran denken.
Bisher haben wir Vilnius (zu Deutsch Wilna) nur im Dunkeln erlebt. Wir starteten um 13 Uhr und landeten um ca. 17 Uhr. Das dürftige Tageslicht bei der Ankunft am Flughafen, bis zur Übernahme des Mietwagens und die anschließenden Fahrt zum Hotel, zählt einfach nicht.
Eine Woche vor Weihnachten hat Michael die Flüge für 45,00 Euro pro Person gebucht. Zur Auswahl stand auch Riga in Lettland. Doch diese Stadt möchte ich mir lieber in den Sommermonaten ansehen, allein schon wegen der Ostsee.
Vilnius
Aber jetzt sind wir erst mal in Vilnius, der Hauptstadt von Litauen und um einen Tag haben wir die große Festlichkeit – 100 Jahre Unabhängigkeit – verpasst. Der 16. Februar 1918 ist ein symbolträchtiges Datum und gleichzeitig der wichtigste Nationalfeiertag Litauens. Landesweit wurde in einem Fahnenmeer in Gelb-Grün-Rot (die litauische Trikolore) gefeiert. Es gab 100 Feuer die für Freiheit standen, 100-Kilometer-Wanderungen, Umzüge mit 100 Fahnen und auch einen Hashtag (#LT100). Von Uoga Uoga gab es sogar einen Lippenstift in den Nationalfarben. Dieses „Must-have“ war freilich ratzfatz ausverkauft.
Seit 2015 ist Litauen Teil der Europäischen Union. Kein rumschlagen mit lästigem Geldwechseln und Umrechnungskursen. Für unser Essen (was sehr lecker ist) werden wir inklusive den Getränken knapp 48,00 Euro bezahlen. Normale Preislage. Tanken ist günstig, der Mietwagen auch, hingegen Parken teuer ist. Eben fütterten wir eine Parkuhr mit 3,00 Euro für 90 Minuten Parkdauer und unser super cooles Hotel hat gerade mal 33,00 Euro für eine Übernachtung mit Frühstück gekostet. Für uns beide. Eine kleine Revolution mitten in Vilnius, nicht unbedingt wegen dem Preis.
Oder vielleicht doch?
Comfort Hotel LT
Das Comfort Hotel LT geht neue Wege. Es ist ein modernes Musik-Themen-Hotel mit hauseigenem Radiosender ganz im Zeichen des Rock`n´Rolls. Zentral gelegen, sehr sauber, geräumige Zimmer, poppig eingerichtet, extrem bequeme Betten, ein großartiges Frühstücksbüffet, freies Wi-Fi, ein Bad mit Fußbodenheizung UND einem Haartrockner, der bei Benutzung nicht zu explodieren droht. Was will man eigentlich mehr? Vielleicht noch ein Self-Service Bügelzimmer und ein Fitness-Studio, das 24 Stunden geöffnet hat? Glaubt mir überhaupt wer, wenn ich das zu Hause erzähle? Praktisch ist auch, dass man für 12,00 Euro pro Tag auf dem Hotelparkplatz (oder Tiefgarage) parken kann.
Im Raum nebenan wird kräftig gefeiert. Man hebt die Gläser und prostet sich zu. Eine lustige Runde. Klischeehaft zu behaupten, dass die Litauer trinkfester sind als der Rest der Welt und doch ist es das Land mit dem weltweit größten Alkoholkonsum. Deswegen wurde Anfang des Jahres sogar das Alkoholkontrollgesetz drastisch verschärft. Werbung für Alkohol ist nun strengstens verboten. Wer derzeit ein ausländisches Presseerzeugnis erwirbt, darf sich über herausgerissene, abgeklebte Seiten nicht wundern. Die Lieferanten wissen sich nicht anders zu helfen, denn wer gegen das Gesetz verstößt, dem drohen Geldstrafen bis zu 30.000 Euro. Das schmeckt ein bisschen nach Zensur und gefällt sicherlich nicht jedem. Auch darf bezweifelt werden, ob fehlende Werbung den hohen Alkoholkonsum letztendlich eindämmt. Aber es ist ein Anfang und eins ist sicher, diese drastische Maßnahme lenkt den Blick auf das Wesentliche, auf das Problem des Alkoholismus.
Für die Gräueltat an der Zeitschrift gibt’s allerdings keinen Nachlass. Man zahlt den vollen Preis.
Drei Kreuze
Kalt ist es, minus 8 Grad und über Nacht hat es geschneit. Im Februar ist in Litauen eben noch tiefster Winter. Wir stapfen durch den Schnee zu unserem Mietwagen und steuern das nächste Ziel, die „Drei Kreuze“, das Symbol von Vilnius, an. Die imposanten Betonkreuze stehen auf einem Hügel, von dort oben soll einem die Stadt zu Füßen liegen. Ein Platz für Romantiker, denn herrliche Sonnenuntergänge sind garantiert.
Die Sonne ist schon lange untergegangen, doch der Romantik tut das keinen Abbruch. Die Dächer der Stadt sind mit einer glitzernden Schneehaube überzogen, wunderschön, so schön, dass ich die Kälte kurz vergesse. Michael fotografiert die Szenerie, wie eigentlich den ganzen Abend schon. Was ein Glück, denn meine Hände haben mit meinen Manteltaschen spontan den Bund fürs Leben geschlossen.
Republik Uzupis
Schade, dass es doch so schnell dunkel wurde. Zu gerne hätte ich das Künstlerviertel Uzupis, die kleine Republik mitten in Vilnius, die sich vor Jahren als unabhängig erklärt hat (von Vilnius und von Litauen), bei Tageslicht erkundet. Vielleicht wach auch ich morgens auf und fühle mich als Präsident(in), sowie eins Romas Lileikis, der selbsternannte Präsident von Uzupis.
Der Hund hat das Recht Hund zu sein, so steht es in der Verfassung von Uzupis. Artikel 21 berechtigt jeden, für seine Unbedeutsamkeit sogar dankbar zu sein. Genauso ist garantiert, dass die Katze ihren Besitzer nicht lieben, aber in der Not helfen muss. Michaels Kater Timmi praktiziert das schon seit Jahren, ganz ohne gesetzliche Auflagen, also… das Nichtlieben.
Wasserburg Trakai
Für heute ist es aber erst mal genug. Jetzt geht es zurück in unser gemütliches Hotel und Morgen, Morgen besuchen wir noch vor dem Rückflug die wunderschöne Wasserburg in Trakai. Eine Burg, umgeben von herrlicher Natur und eingebettet in einer idyllischen Seelandschaft. Der See ist bei diesen Temperaturen zugefroren, doch wenn wir schon mal in der Nähe sind, besuchen wir auch die meistfotografierteste Sehenswürdigkeit im gesamten Baltikum. Eigentlich wollte ich ja noch einen kleinen Abstecher nach Weißrussland machen, liegt doch quasi ums Eck. Doch Michael hat mir diesen Zahn ganz schön schnell gezogen. Ohne Visum, keine Einreise.
Enttäsucht bin ich deswegen nicht. Eher darüber, dass es morgen schon wieder zurück geht, denn Vilnius hat sich in der kurzen Zeit vital, selbstbewusst und voller Kontraste präsentiert. Zu Hause werde ich Einiges über diese tolle Stadt zu erzählen haben, bis auf die holprigen Straßen, dieses Wissen behalte ich erst mal für mich… ;-))