Als wir an Neujahr 2017 unseren Ostküstentrip planten, war uns sehr schnell klar, New York alleine sollte nicht reichen. New York ist ein guter Ausgangspunkt für einen Roadtrip. Die Frage war nun nur, ob wir uns Richtung New England oder eher Richtung Washington orientieren sollten.

Wie der Zufall es so wollte, gab es auf Amazon Prime einen Spielfilm über Donald Trump. Da dieser Film zum größten Teil in New York und an der Ostküste spielte, wurden wir zum ersten Mal richtig aufmerksam auf die Kasinostadt Atlantic City. Atlantic City ist neben seinen Kasinos vor allem als Küstenstadt bekannt. Als dort in den späten 70er Jahren das Glücksspiel legalisiert wurde, bekam die knapp 40.000 Einwohner große Urlaubsstadt einen großen Aufschwung. Dieser Trend endete jedoch jäh. Dazu später aber mehr!

Nach einigen Tagen New York fuhren wir also erst über Philadelphia nach Baltimore, bevor es dann am nächsten Tag nach Washington D.C. und schließlich abends nach Atlantic City ging. Leider war Atlantic City unser letzter Stop, bevor es wieder 200km zurück zum JFK ging.

Blick auf die hölzerne Strandpromenade mit dem Hard Rock Cafe, dem Taj Mahal und dem geschlossenen Steel Pier

Nachdem wir bereits Macau kannten, hatten wir mit vielem gerechnet. Auch Monaco und Baden-Baden waren mir bekannt. Dass wir jedoch in eine Geisterstadt fahren würden, damit rechneten wir nicht wirklich. Bereits vor unserer Reise war uns bewusst, dass Atlantic City in den 90er maßgeblich durch Trumps Bauvorhaben geprägt wurde. Uns reizte die Mischung aus Las Vegas und einer Art heimischer Nordsee. Die Dünenküste scheint fast unberührt von den Ausmaßen der naheliegenden Metropolen.

Der lange Weg...

Gegen 22h erreichten wir unser Motel, dem Clarion Inn & Suites, etwa 10km von der Innenstadt am US30 White Horse Pike gelegen. Das Motel entspricht einem klassischen amerikanischen Motel, mit allem was dazu gehört, nur die Leiche im Pool wurde bereits für die Nacht reingeholt.

Kaum eingecheckt, wollten wir uns ins Nachtleben werfen! Ab ins Auto und in die Stadt der Träume. Vorbei an leerstehenden Motels und Ruinen einstiger großen Hotelanlagen ging es über die vierspurige Schnellstraße zügig zur Küste. Bereits viele Kilometer vor den Stadttoren sah man die Millionen blinkender Neon- und LED-Beleuchtungen. Es schien ein toller Abend zu werden. Wie üblich in den USA muss man sich dann noch einige Hundert Meter durch sozialschwache Außenbezirke kämpfen, bevor man ins Zentrum gelangt. Merkwürdig wurde es jedoch, dass wir bis zu den großen Kasinos keine Menschen sahen. Alles war mit tausenden Watt illuminiert und auch dort – Niemand! Vielleicht mal wieder gerade wie in Macau Pech gehabt und genau den Zeitraum erwischt, in dem sich die gesamte Unterhaltungsindustrie für die neue Saison aufrüstet oder schlichtweg einen Feiertag erwischt… Naja, wir suchten dann mal einen Parkplatz. Auswahl gab es ja genug, nicht günstig, aber das kennt man ja aus dem Urlaub. Noch immer leuchteten sie, die gigantischen Unterhaltungstempel, aber selbst zu Fuß – kein Mensch da! Auch auf der Strandpromenade – Niemand.

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Man wartet, dass jeden Moment die Menschenmassen in die Stadt strömen…

Wir spazierten ein wenig die hölzerne Promenade entlang, bis wir es sahen, das Taj Mahal. Trumps größtes Bauprojekt, das einstige größte Kasino der Welt! Heutzutage haben Macaus Wunderwelten dieses längst übertrumpft, in den 90ern jedoch stellte es selbst die großen Kasinos Las Vegas in den Schatten. Merkwürdig auch hier, alles erstrahlte in gelblichem Glanz, doch nirgends ein Eingang. Der hunderte Meter große Bau schien einfach keinen Eingang zu haben. Gut, das kennen wir aus Macau. Man versucht gezielt die Kundschaft lange über nur ganz wenige Ein- und Ausgänge ganz nach dem IKEA-Prinzip im Inneren zu halten. Etwas verwirrend war es allerdings auch, dass die gigantischen TRUMP-Letter abmontiert waren. Jahrelange Sonneneinstrahlung prägte sie jedoch tief in den hellen Putz hinein.

Nach weiteren hundert Meter entlang der Fassade, gab es doch wirklich einen riesigen Empfangsbereich, direkt am Strand gelegen. Dass es gerade geschlossen hatte, war nun eindeutig. Wie gesagt, vielleicht waren wir außer de Saison da. Nur ein kleines DIN A4 Blatt mit der Handynummer des Besitzers hing am Eingang. Man sollte sich in dringenden Fällen melden. Nun haben wir also Trumps Handynummer…

Wie auch in Macau gibt es einen alten und neuen Kasinostadtteil. Der alte prunkvolle, direkt an den Dünen gelegene und ein nahe der Autobahn an Binnengewässern gelegener. Dank des Mietwagens konnten wir uns ein wenig die Stadt anschauen. Man sah, welcher Reichtum wohl noch vor kurzem vorhanden gewesen sein musste. Hübsche amerikanische Kleinstadthäuser Reihe an Reihe mit Veranda und Hollywoodschaukel, auch hier war etwas komisch. Man sah keine Lichter, keine Menschen und der Lack blätterte vom Strandsand geschliffen, ab. Selten sah man einen Wagen vor den Häusern. Häuser, welche wohl bewohnt waren, waren mit Holzblanken zugenagelt.

Nach diesem Schock fuhren wir Richtung Huron Avenue. Und endlich! Wir sahen Autos und Menschen. Während die großen bekannten Kasinos, wie Wild Wild West, Tropicana oder auch Kultstätten, wie das Hard Rock im alten Stadtkern unbesucht schienen, lockten neue Glanzbauten, wie das Borgata, Golden Nugget und der Water Club verkehrsgünstig am Highway gelegen wohl die Großstädter zum abendlichen Zocken.

Griechisch - mal anders!

So geschockt fuhren wir zurück zum Motel. Noch nichts gegessen, versuchten wir unser Glück in einer der einstigen größten Kasinostädten der Welt nach 24h noch etwas zu essen zu bekommen. Glücklicherweise, sogar in Nähe des Motels fanden wir einen Griechen, das PHOENIX DINER.

Mit Griechenland wenig zu tun, war es erstaunlicherweise eine gute Gaststätte. Es war vielmehr eine Art Mc Donald’s Gebäude mit übertriebenen mediterranen italo-griechischen Dekoflair.

Meckern wir mal nicht, es gab sonst nichts. Einer der Highlights war, dass sämtliche Stühle mit Möbelrollen versehen waren. So konnte man, ohne aufzustehen, den überdimensionalen Stahlstuhl mit Holzdekor zum zuckerhaltigen Salatbuffet rollen.

Warum es das wohl gab, erklärte die Speisekarte sehr schnell. Es gab spezielle Fett-Menus! Und das ist mein Ernst, die Speisen hießen sogar „Fat …“!

Phoenix Diner Fat Classics

Zum ersten Mal in den USA überhaupt, gaben wir nicht hunderte Dollars für eine Mahlzeit aus. Gegen halb 2 ging es dann ins viel zu groß dimensionierte Doppelzimmer.

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Übrigens gibt es nur wenige Kilometer entfernt eine deutsche Gemeinde, Germania mit der Stadt Cologne.

Bei Tag fasziniert & schockt Atlantic City zugleich

Nach dem Schock der letzten Nacht stärkten wir uns erst einmal am Zuckerfrühstücksbuffet. Das Highlight waren übergroße Waffeln aus einem Industriewaffeleisen. Da wir am Abend bereits wieder am JFK sein mussten, um unseren Flug über Berlin nach Saarbrücken zu kriegen, fuhren wir ganz schnell erneut in die Geisterstadt.

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Nachts konnte man nur erahnen, wie schlecht es der einstigen Perle geht.

Immerhin am Tage gab es wohl noch einige Touristen. Die hölzerne Strandpromenade war von einigen Wochenendtouristen der benachbarten Metropolen besucht. Leider gab es neben kleineren Souvenirshops und Imbissbuden kaum geöffnete Attraktionen oder Restaurants. Wieder einmal sah es so aus, als würde gleich jemand kommen und die Pforten öffnen.

Übrigens, als wir eine Woche zuvor in New York landeten, lag Schnee und es waren Minusgrade, nur wenige Kilometer entfernt waren es knapp 30°C!

Besonders reizte uns die große Pierkirmes. In allen großen bekannten Küstenstädten gibt es solche Rummelplätze, die auf einem Pier gelegen, weit ins Meer hinein gebaut wurden, aber auch hier hieß es: CLOSED.

Mit gemischten Gefühlen ging es über den Parkway zurück nach New York.

Als wir wieder Internet hatten, forschte ich ein wenig nach dem Schicksal dieser einstigen großartigen Stadt. Achso, den Fehler, ohne SIM-Karte die USA zu bereisen, machen wir nie wieder. Aber das ist ein anderes Thema.

Atlantic City zählte damals wie heute zu einem beliebten Wochenendurlaubsort benachbarter Großstädter. Die selten einhergehende Mischung aus Urbanisierung und Natur spielte dabei eine große Rolle.

Hard Rock Cafe
Fast wie auf Sylt
Altes Bootshaus
Verlassene Strandpromenade

Früher nannte man Atlantic City auch Trump City. Nach diversen Fehlinvestitionen, die die Stadt inzwischen in einen echten Bankrott getrieben haben, gehört der Präsident sicherlich nicht mehr zu den beliebtesten Gästen. Mehrere hundert Millionen Dollar wurden in den letzten beiden Jahrzehnten hierbei vernichtet. Auch die Deutsche Bank soll nach einigen Berichten dabei fast eine viertel Milliarde Dollar in den Sand gesetzt haben. Nachdem Trumps Taj Mahal nach mehreren Besitzer- und Konzeptwechseln, zuletzt dem ersten Strip-Kasino der USA, 2016 endgültig geschlossen wurde, warten wohl unwissende Touristen Tag für Tag auf die tägliche Öffnung.

Sicherlich ist er nicht allein für die Misere verantwortlich, jedoch half es auch nicht, das Unglück abzuwenden. Seit März 2016 ist die Stadt übrigens zahlungsunfähig.

Willst Du mal einen anderen Strandurlaub, flieg dorthin! Du wirst die Atmosphäre lieben. Am besten über einen der New Yorker Flughäfen und einem Mietwagen. Günstige Flüge direkt nach Atlantic City gibt es wohl nur sehr selten.

Alle Infos auf einen Blick

Die Skyline von Atlantic City vor einigen Jahren

Hoffen wir, dass irgendwann wieder ein kleiner Funken das Feuer entfacht und Atlantic City an glorreiche Zeiten anknüpfen kann!