Ich war schon etliche Male in Hamburg, doch noch nie lernten wir St. Pauli so (un)ehrlich und direkt kennen. Andere würden sagen, wir haben uns ordentlich aufs Kreuz legen lassen, ich sage aber: Die 16,- Euro waren es wirklich wert!

Viel Versprechen, noch mehr dahinter!

Nach einem Musicalbesuch spazierten wir über die Reeperbahn in Richtung U-Bahnstation. Eigentlich waren wir auch echt müde, doch dann sprach man uns sehr frech und direkt auf der Straße an. Ein Koberer, wie er im Buche steht, nicht der alte, einem Seelöwen ähnlich aussehenden, nein der junge, aus Osteuropa stammende, mit Bomberjacke und Securityaufnäher Verzierte. Ein Junge, der halbstark die obszönsten Laute von sich gab, klar mit dem Ziel, Touristen abzuzocken. 

Aber was soll’s, er versprach nach einigen netten Worten über unsere Herkunft und Kleidung einige Freigetränke im Inneren des aus Internet und Presse bekannten Etablissements. Es wurde noch ausgehandelt, dass ein Hugo und ein Bier gratis auf dem Tisch zu stehen hätte… Also nichts wie rein.

20 Minuten in einem echten Kobern-Schuppen

Eins vorneweg, es war grauenhafter als in unseren düstersten Vorstellungen – Also genau so, wie ich es interessant finde! Die Einrichtung hatte mit Sicherheit schon deutlich bessere Zeiten, was ich von den halbnackten Damen an der Theke nicht sagen konnte. Und nun will ich niemandem zu nahe treten, aber hier gab es wohl noch nie bessere Zeiten!

Ein gewöhnliches Bier gab es irgendwie nicht, also nahm ich ein selbst geöffnetes Bockbier aus der Flasche als Alternative. Für Petra sollte es Hugo geben, den gab es irgendwie erst recht nicht, hier gab es ein saures Sektgesöff mit kurzen Strohhalm…

Mir war schon bewusst, dass hier nichts gratis sein wird, aber “mir egal”! – Die Show war besser als jede in Vegas und wir besuchten da so einige! Der kühle nasse Rauch, der über die komplett verspiegelte Wand-, Boden- und Deckenflächen kroch, zeugte von fehlender Belüftung und verantwortungsvollem Hygieneverständnis.

M/W/D oder was auch immer...

Hamburg gilt weltweit als Hotspot für verschiedene alternative und tolerante Bewegungen, was auch Hamburg einen ganz eigenen, unverwechselbaren Charakter verleiht. So weit – so gut! Doch, was wir in dieser dunklen Schmuddelbude als einzige Gäste plötzlich erlebten, war undefinierbar.

Ich versuche es zu beschreiben, ohne erneut zu wertend zu sein. Der Mensch mit weniger Kleidung als Haut mit überdimensionaler Oberweite sprach mich mit Schatzi an. Zum Glück schenkte sie mir nicht noch ein Foto… Die Dame, zumindest äußerlich, wollte wohl noch ein paar Euronen verdienen. Ich sollte ihr doch etwas ausgeben. Ich fragte sie dann umgekehrt, warum sie mir denn keinen ausgibt, sie arbeite ja doch hier…

Schmunzelnd versuchte sie daraufhin ein wenig auf Körpernähe, schlagartig war mir bewusst, wie kalt es doch an diesem heißen Sommertag wurde. 

Und plötzlich kostet es!

Nach etwa 20 Minuten amüsierten wir uns genug. Die Dame verlangte daraufhin noch 16,- Euro für die beiden Gratisgetränke und wir bedankten uns förmlich für die nette Gastfreundschaft bei ihr. Sichtlich irritiert, begleitete sie uns noch zum Ausgang.

Draußen ging uns der gerade noch so taffe Koberer merklich aus dem Weg. Er wusste, dass er seine hohen Versprechungen nicht einhalten konnte, umso mehr war auch er verwirrt, als wir uns für diese Live-Gruselshow bedankten. 

In Vegas würdest Du für ein solches Schauspiel mehrere hundert Dollar hinlegen müssen und dann ist es eben doch fake – St. Pauli ist aber echt!

Welche Frau das ihrem Mann gönnt, hasst ihn wohl.

Noch vor Eintritt überredete der freche Bursche Petra dazu, mir doch etwas zu gönnen… Vielleicht verwechselte er die Tür, dort drin gab es nämlich nur eine Horrorshow.

Man gab schon unnötiger Geld aus

Natürlich wurde man abgezockt! Aber der Schaden hielt sich durchaus in Grenzen. Wenn ich überlege, dass man in New York für fünf Sehenswürdigkeiten fast eine halbe Woche arbeiten muss, sind 16,- Euro für eine wahre, unverfälschte Hautnaherfahrung doch echt billig. 

Einmal reicht!

Auch wenn es wirklich eine interessante Geschichte ist, die man auch gern noch in vielen Jahren erzählen mag, reicht diese Erfahrung doch.